Auslandsaufenthalt in Ecuador

Lia Kampmann – Klasse 10a (Schuljahr 2010/2011)

Das 2. Halbjahr der 10. Klasse habe ich auf 2850 m Höhe, umgeben von Bergen, Vulkanen und grüner, hügeliger Landschaft in Ecuadors Hauptstadt Quito verbracht.

Quito, die Stadt des ewigen Frühlings, die „Mitte der Welt“.

Aber warum ausgerechnet Quito?

Für mich stand von Anfang an fest, dass ich ein halbes Jahr im Ausland verbringen wollte. Die Hauptgründe für meine Entscheidung für Quito waren die Erweiterung meiner Spanischkenntnisse, die Chance ein Land mit komplett anderer Kultur, Geschichte und Landschaft kennenzulernen und auch die Tatsache, dass ich eine gute Freundin in Quito hatte, deren Familie sich gefreut hat, mich für ein halbes Jahr lang aufzunehmen.

Mein Auslandsaufenthalt wurde von uns privat organisiert. Natürlich ist damit viel Arbeit und Zeit verbunden. Beispielsweise musste ich mich selbstständig um eine Schule, ein Visum, ein polizeiliches Führungszeugnis, die Krankenversicherung, eine notariell beglaubigte Unterkunft, Gesundheitszeugnisse und den Flug kümmern.

Ein Vorteil der Privatorganisation war, dass ich die einzige Austauschschülerin auf meiner Schule war und ausschließlich Kontakt zu „Einheimischen“ hatte.

Die Gastfamilie spielt bei Auslandsaufenthalten immer eine große Rolle, aber bei einem selbstorganisierten Auslandsjahr kommt ihr noch ein wenig mehr Bedeutung zu, da es keine Möglichkeit zum Wechseln der Familie gibt. Ich hatte riesiges Glück, eine bessere Gastfamilie hätte ich mir nicht vorstellen können.

Trotz Ecuadors geringer Größe ist die Landschaft hier sehr abwechslungsreich. Das Land ist unterteilt in Sierra, Costa und Oriente, bzw. Berglandschaft, Küste und Dschungel. Meine Gastfamilie hat mit mir viele Ausflüge unternommen, besonders die Küstenregion mit Ecuadors wunderschönen Stränden haben wir oft besucht; aber auch die kleinen Bergdörfer sind nicht zu kurz gekommen. In meinen letzten zwei Wochen hier im Land werden wir uns nun den Urwald ansehen und die immer noch in ihrer ursprünglichen Umgebung lebenden Indianerstämme besuchen.

Während meines 6-monatigen Aufenthaltes ging ich auf das „Colegio Americano de Quito“. Der Schulalltag auf dieser Schule sah ganz anders aus, als ich ihn von Deutschland gewohnt war. Jeden zweiten Tag musste man hier eine Schuluniform tragen, jeder Schultag hatte 7 Schulstunden und demnach kam immer zur gleichen Zeit nachhause. Die Schulsachen verstaute man in „Lockern“ und benotet wurde man mit Punkten von 0 bis 100. Obwohl das „Colegio Americano“ eine Privatschule ist, war ich überrascht über den Lernstand und das allgemeine Niveau des Unterrichts. Des Hauptteil des Unterrichtsinhalts hatten wir in Deutschland bereits in der 8. Klasse behandelt, weshalb sich Schule in Ecuador für mich als äußerst mühelos herausstellte.

Man hatte mir in der ecuadorianischen Botschaft in Hamburg ausdrücklich nahegelegt keine öffentliche Schule in Ecuador zu besuchen, da diese hohe Kriminalitätsraten aufweisen. Durch meinen Besuch des Colegios Americanos habe ich ganz neue Erfahrungen machen dürfen. Ich hatte schon vor meinem Aufenthalt gelesen, dass es in Ecuador keine Mittelschicht in dem Sinne gibt, nur eine große Unterschicht, die unter extremer Armut leidet und eine kleine Oberschicht. Schon an meinem 1. Schultag fiel mir auf, dass ich eindeutig in der Oberschicht aufgenommen wurde. Nach anfänglicher purer Begeisterung über villenartige Häuser, die Mitgliedschaft im Country Club, Haushälterinnen, Chauffeure und Parties, die ich sonst nur aus Filmen kannte, wurde mir mit der Zeit auch die negative Seite dieser glamourösen Welt bewusst. Ich begann mich wie in einem „goldenen Käfig“ zu fühlen.

„In einem goldenen Käfig sitzen – sich trotz Reichtums in Unfreiheit befinden, als Mitglied der wohlhabenden Gesellschaftsschicht eine eingeschränkte persönliche Freiheit besitzen.“

Man kann sich in Ecuador nicht so frei bewegen, wie ich es aus Deutschland gewohnt war. Das Haus durfte man niemals alleine verlassen, und auch nur irgendwohin zu Fuß zu gehen war mir nicht erlaubt, aufgrund vieler Verbrechen und Gefahren, die auf Quitos Straßen alltäglich sind. Unter der Woche verbrachte man hier seine Tage zuhause und nur freitags und samstags traf man sich mit Freunden, am Sonntag stand dann der Besuch im Country Club an. Nach einiger Zeit begann ich beispielsweise zu vermissen morgens mit dem Fahrrad zur Schule zu fahren, hier werden die Schüler mit dem Schulbus gefahren. Auch spontan zu Fuß unter der Woche zu Freunden zu gehen war unmöglich. Dinge, die ich vorher als selbstverständlich hingenommen hatte, waren hier nicht erlaubt.

Es war eine tolle und einzigartige Erfahrung, ein halbes Jahr lang Teil in dieser privilegierten Welt zu sein. Jedoch ist mir Freiheit wichtiger und zukünftig werde ich meinen morgendlichen Schulweg auf dem Fahrrad sicher mit ganz anderen Augen betrachten.

Nach meinem 6-monatigen Aufenthalt im Land bin ich sowohl begeistert von Ecuadors abwechslungsreicher Landschaft als auch von der Kultur und den Menschen.

Ich habe Einiges gesehen und erlebt und meine Sichtweise hat sich für viele Lebensumstände sensibilisiert und erweitert. Heute weiß ich sehr viele Dinge in Deutschland anders einzuordnen und zu schätzen und bin froh, dass mir ermöglicht wurde diese Erfahrung zu machen.