Schein und Sein – Aufführungen von „Ein Held namens Theseus“

In einer Welt voller Filter, Fakes und perfekt inszenierter Realität fällt es zunehmend schwer zu unterscheiden: Was ist echt – und was bloß Content?

Ob TikTok-Tanz, Instagram-Romantik oder die dramatische Enthüllung im Livestream, alles wirkt irgendwie wahr. Aber oft ist es nur Fassade. Die Grenze zwischen Authentizität und Inszenierung verschwimmt. Und wir scrollen weiter, liken, teilen – und glauben.

Genau hier setzt „Ein Held namens Theseus“ an, ein Stück von Inge Arnold, das den antiken Mythos zerlegt und ihn mit der Medienlogik unserer Zeit durchrührt. Unser Held? Der Theseus.

Groß, stark, gut ausgeleuchtet… und leider nicht besonders hell im Kopf.

In dem Stück wird aus dem sagenumwobenen Minotauros-Bezwinger kein tragischer Held, sondern ein PR-Projekt mit Muskeln. Und das antike Griechenland? Ein Schauplatz voller Influencer, Scheinheiligkeit und strategischer Kameraführung. In einer Zeit, in der Heldentum oft mit Likes und Followerzahlen verwechselt wird, zeigt unser Stück: Ein wahrer Held hat es nicht leicht.

Denn mal ehrlich: Wer heute Held sein will, braucht keine Tapferkeit, sondern eine gute Agentur. Während das grüne Licht den Zuschauern verrät, wann wieder eine „offizielle Wahrheit“ inszeniert wird, laufen im Hintergrund ganz andere Dramen. Theseus wird kurzerhand zum Retter ernannt, der angeblich aus Liebe ins Labyrinth zieht. Dass da nicht der Minotauros wartet, wird fürs Publikum schön grün ausgeleuchtet. Schließlich geht’s um die Show, nicht um die Wahrheit. Der eigentliche Kampf findet also nicht mit Schwert, sondern mit Storyline, Styling und Strategie statt.

In unserem Stück wird der griechische Mythos zum Zerrspiegel unserer Gegenwart. Zwar überdreht und satirisch, aber irgendwie real: Xenia, die PR-Beraterin des athenischen Königshauses, zieht im Hintergrund die Fäden. Ihr ist es zu verdanken, dass Theseus überhaupt als Held gefeiert wird, obwohl er in Wahrheit kaum etwas leistet. Sie weiß, dass in einer Welt der Bilder nicht der Tapferste gewinnt, sondern der, der gut aussieht und sich vermarkten lässt. Sie steht für eine Welt, in der Inhalte zweitrangig sind, solange die Verpackung stimmt.

Ariadne, von der PR zur perfekten Braut stilisiert, ist alles andere als ein naives Mädchen mit Faden. Sie denkt strategisch und weiß ganz genau, was sie will… zumindest, bis Theseus in einem Bistro auf Naxos die nächste peinliche Wendung liefert. Sie steht für die moderne Frau zwischen Eigenständigkeit und Erwartung.

Und dann wäre da noch König Minos, der seinen eigenen Hof kaum versteht, aber mit Partylaune und Gedächtnislücken glänzt. Ihm zur Seite steht ein Tourismusminister, der das Labyrinth lieber vermarktet als verteidigt, und ein Oberpriester, der mehr an Spenden als an Spiritualität interessiert scheint. Vielleicht ist der König der Chef, der nie weiß, was läuft. Der Politiker, der nur abliest. Oder der Vater, der nicht mehr versteht, was seine Kinder eigentlich tun.

„Ein Held namens Theseus“ ist keine trockene Antike-Nacherzählung, sondern ein witziger, scharfer Kommentar auf die Welt, in der Wahrheit und Wirkung selten zusammenpassen. Zwischen Labyrinth und Loft, Ouzo und Orakelsprüchen zeigt das Stück:

Heldenmut ist heutzutage eher eine Stilfrage.

Also: Bühne frei für „Ein Held namens Theseus“: Ein grellbuntes Spiel mit der Wahrheit, das zeigt, dass nicht nur Mythen, sondern auch Medien gemacht sind. Und dass manchmal nicht der Mut zum Kampf, sondern der Mut zur Ehrlichkeit der wahre Beweis von Größe ist.

Zu sehen sind die beiden Aufführungen des Theaterkurses 1 der S2 unter der Leitung von Dagmar Reichle am Donnerstag, 3.7. und Freitag, 4.7., jeweils um 19.30 Uhr in der Aula.

Elisa Frankowski (S2)