Schulzeit am Gymnasium Oberalster – Filmleidenschaft im Gepäck

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Rolf Hauschild wuchs in Hamburg-Sasel auf, nur wenige Gehminuten vom GOA entfernt, das er nach der Grundschule besuchte und 1977 mit dem Abitur verließ. Schon in der Unterstufe zeichnete sich sein Interesse für Medien und Geschichten ab – erste Super-8-Kamera-Erfahrungen sammelte er mit Freunden wie Peter Fürste und Thomas Scheliga. Seine Begeisterung für das bewegte Bild wurde durch den jungen Kunstlehrer Dieter Staacken gefördert, der Filmprojekte aktiv unterstützte und Raum für Kreativität schuf.

Im Zentrum seiner Schulzeit stand nicht nur der Unterricht, sondern auch ein enges soziales Gefüge: Hauschild war Teil einer lebendigen Klassengemeinschaft, die gemeinsam Filme drehte, Ausflüge unternahm und Projekte entwickelte. Bereits in der 9. Klasse entstand eine humorvolle Parodie auf Aktenzeichen XY ungelöst, gefolgt von der filmischen Dokumentation einer Klassenfahrt nach Willingen. Später produzierte Hauschild mit Freunden satirische Kurzfilme und den ambitionierten Streifen Ausbruch, der auf Schülerfilmfestivals in Hamburg und Oberhausen gezeigt wurde (dazu unten mehr).

Die Filme dieser Zeit spiegeln nicht nur die Lebenswelt der Schüler, sondern auch ihren kritischen Blick auf Schule, Medien und Gesellschaft. Ob Werbeparodie, Trickfilm oder Schuldrama – Hauschilds Schulzeit war geprägt von filmischem Erzählen, Improvisation und dem festen Willen, Dinge selbst in die Hand zu nehmen.

Beruflicher Weg: Vom Schülerfilmer zum Medienprofi

Nach dem Abitur studierte Hauschild zunächst Wirtschaft, wechselte aber rasch in den Journalismus. Sein Ziel: Geschichten erzählen, die Menschen erreichen. Über ein Praktikum in der Sportredaktion der Bild-Zeitung fand er seinen Weg in die Medienwelt, wo er jahrzehntelang als fester Redakteur und später in leitenden Funktionen tätig war. Stationen waren u.a. die Bild, Bunte, People und das Magazin Business Punk. Auch nach seinem Ruhestand arbeitet er projektbezogen weiter – mit der gleichen Neugier und Leidenschaft, die ihn schon in der Schulzeit antrieb.

Die Klassenreise der 10b nach Willingen: Erinnerungen in Super 8

Der Film über die Klassenreise der 10b nach Willingen ist eine bewegende Zeitkapsel aus der Schulzeit der 1970er Jahre, festgehalten von Schülern selbst mit Super-8-Kameras. Die Fahrt wurde von den Lehrkräften Elmar Budewig und Renate Brückner begleitet, beide beliebt und geschätzt. Die Klasse bestand aus rund 32 Schülerinnen und Schülern, die eine lebendige und enge Gemeinschaft bildeten. Der Film dokumentiert nicht nur die Reise, sondern fängt auch das soziale Miteinander und den besonderen Geist dieser Klasse ein.

Gedreht wurde der Film von mehreren Schülern, unter anderem Peter Fürste und dem Interviewpartner Hauschild. Er zeigt Momente aus dem Reisealltag: die Anfahrt mit dem Zug, Szenen aus dem Ort Willingen und einen Ausflug nach Kassel zum Herkules-Denkmal im Bergpark Wilhelmshöhe. Besonders eindrucksvoll ist eine Sequenz, in der zwei Schüler über die Stufen der berühmten Wasserspiele springen – ein Bild jugendlicher Energie…

Besonders bemerkenswert ist die Eigeninitiative der Jugendlichen. Während heute jede Reise mit Smartphones dokumentiert wird, war dies in den 1970er Jahren noch ein technisches und organisatorisches Abenteuer. Der Film vermittelt daher mehr als nur Reiseszenen – er zeigt ein Stück gelebter Schulgeschichte, in dem Selbstständigkeit, Kreativität und Gemeinschaftsgefühl zentrale Rollen spielen.

Zum Sound:

Ton gab es zur damaligen Zeit in Super-8-Produktionen nicht automatisch. Deshalb wurde die Filmvorführung in der Schule später musikalisch untermalt: Vom Tonband wurde ein Soundtrack mit zeittypischer Musik abgespielt. Der Film diente nicht nur der Erinnerung, sondern wurde auch den Eltern präsentiert – ein frühes Beispiel für medienpädagogische Arbeit von Schülern für ein Publikum.

Zündstoff: Ein Kurzfilm aus dem Kunstunterricht

Der Kurzfilm Zündstoff ist ein knappes, aber eindrucksvolles Ergebnis experimenteller Filmarbeit im Kunstunterricht der Oberstufe. Entstanden ist der Film unter der Leitung des engagierten Kunstlehrers Dieter Staacken, der seine Schüler aktiv dazu ermutigte, sich filmisch auszuprobieren. Das Ergebnis ist eine nur wenige Sekunden lange Trickfilmsequenz, die durch ihre Einfachheit und symbolische Wirkung besticht.

Im Mittelpunkt des Films stehen zwei Chinaböller, die sich – animiert im Stop-Motion-Verfahren – auf einem Tisch aufeinander zubewegen. Während im Hintergrund ein kurzes Musikstück läuft, nähern sich die Böller, entzünden sich – und explodieren schließlich in einem kurzen, aber kraftvollen Finale. Inhaltlich lässt sich der Film als bildhafte Darstellung von Konfrontation, Spannung und Eskalation interpretieren, was durch die reduzierte Darstellung und den gezielten Einsatz von Musik unterstützt wird.

Zündstoff zeigt, wie Schüler mit Kreativität, Humor und technischer Neugier an die Gestaltung audiovisueller Medien herangehen können. Heute mag er schlicht wirken, doch in seiner Entstehungszeit war er ein Ausdruck medienpädagogischer Pionierarbeit  und ein prägnantes Beispiel dafür, wie Kunstunterricht über das Zeichnen hinausdenken kann.

Das Öl, das sich verwandeln kann: Ein Werbefilmparodie mit Verwandlungskraft

Der dritte Film aus dem Schularchiv ist eine augenzwinkernde, originelle Parodie auf Werbefilme der 1970er Jahre. Gefilmt wurde erneut mit Super-8-Kamera, der Ton wurde nachträglich unterlegt. Ausgangspunkt war ein Werbeslogan des BP-Motoröls: „Das Öl, das sich verwandeln kann.“ Die Schüler nahmen diesen Spruch wörtlich und entwickelten daraus eine absurde Verwandlungsgeschichte mit zunehmender Steigerung, die in einem surrealen Finale gipfelt.

Im Mittelpunkt steht der Schüler Jens Scharff. Die Handlung beginnt damit, dass er sein Fahrrad mit dem Motoröl einreibt. Es verwandelt sich in ein Mofa. Dann wird auch dieses eingerieben – daraus entsteht ein Motorrad. Es folgt ein VW Käfer, schließlich ein Mercedes. Die Botschaft ist dabei so schlicht wie komisch: Mit diesem Öl wird alles größer, besser, schneller. Doch der Film steigert sich weiter: In einem letzten Schritt trinkt die Hauptfigur das Öl selbst – und verschwindet daraufhin mit einem Knall. Zurück bleiben nur seine Kleider, und seine Eltern sowie sein Bruder Jens treten weinend ins Bild. Eine Schlusspointe, die die Mechanismen der Werbung spielerisch ins Absurde führt. Diese Parodie ist mehr als ein Schülergag: Sie zeigt ein tiefes Verständnis für Bildsprache, Ironie und Dramaturgie. Auch heute ließe sich dieser Film so ähnlich drehen – und gerade das macht ihn zeitlos. Er ist ein Beweis dafür, wie lebendig und klug Schüler Medienkritik betreiben können, wenn man ihnen Raum dafür gibt.

Ein Widerspruch bleibt allerdings: Der Titel zielt auf einen alten Werbespruch “Das Öl, das sich verwandeln kann”, im Film verwandelt sich jedoch nicht das Öl…

Ausbruch: Ein Schulfilm zwischen Realität und Traum

Ausbruch ist der mit Abstand ambitionierteste der vier Filme – inhaltlich wie technisch. Entstanden in der Oberstufe, behandelt er das Thema Schulstress und jugendlichen Freiheitsdrang auf eindrucksvolle Weise. Der rund 20-minütige Kurzfilm erzählt die Geschichte eines Schülers, gespielt von Karsten Böhlke, der den Anforderungen des Schulalltags zunehmend überdrüssig wird – und schließlich ausbricht.

Formal nutzt der Film eine klare visuelle Trennung: Die Szenen in der Schule sind in Schwarz-Weiß gehalten, Ausdruck von Enge, Routine, Belastung. Sobald der Protagonist sich befreit, wechselt das Bild in Farbe. Diese filmische Entscheidung verleiht dem Ausbruch eine unmittelbare emotionale Wirkung. Man spürt förmlich, wie der Druck der Schule abfällt und sich Freiheit, Licht und Leben Bahn brechen.
Die Flucht beginnt mit einer spektakulären Szene: Der Schüler wirft seine Tasche weg, springt mit waghalsigen Manövern aus dem Schulgebäude und läuft durch Hamburg. An der Alster trifft er seine Freundin Birgit Doege sie fahren mit dem Alsterdampfer, entspannen an der Poppenbütteler Schleuse, spielen Gitarre. Die Bilder erinnern an ein Lebensgefühl von Aufbruch und Selbstbestimmung. Die Musik – komponiert und eingespielt von Mitschülern der Band „Fusel“ (Jens Scharff, Peter Reincke, Heiko Böttner, Andreas Brinck und Knut Thedens) – verstärkt diesen Eindruck. Sie ist melancholisch und zugleich hoffnungsvoll.

Doch am Ende folgt ein Bruch: Ein Wecker klingelt. Die Mutter ruft. Alles war nur ein Traum. Die gleiche Morgenroutine beginnt von vorn. Damit wird die scheinbare Freiheit relativiert, der Schulalltag holt den Protagonisten ein. Der Film ist für seine Entstehungszeit technisch bemerkenswert: Von der Kameraführung über die Nachvertonung bis zum Schnitt wurde alles in Eigenregie produziert. Besonders stark ist auch die Besetzung: Der Lehrerkommentar in den Schul-Szenen stammt von Sportlehrer Peter Heyse, eigentlich ein sanfter Pädagoge, hier bewusst als strenge Stimme aus dem Off eingesetzt. Die bewusste Umkehr der Lehrerrolle zeigt den Mut zur Reibung und kreative Freiheit der Schüler. Ausbruch wurde auf Schülerfilmfestivals in Hamburg und Oberhausen gezeigt und erhielt dort viel Aufmerksamkeit.

Kurzbiografie: Kunstpädagoge mit Kamera – Dieter Staacken

Dieter Staacken  kam in den 1970er Jahren als junger Lehrer ans Gymnasium Oberalster – zunächst als Sport- und Kunstlehrer, später als wichtiger Impulsgeber für kreative Medienarbeit. Für viele Schüler, darunter auch Rolf Hauschild, war er nicht nur eine pädagogische Bezugsperson, sondern vor allem ein Förderer künstlerischer Eigeninitiative. Staacken war offen für neue Ausdrucksformen und ermöglichte Projekte, die weit über klassischen Kunstunterricht hinausgingen.

Sein Unterricht war geprägt von einem modernen Kunstverständnis, das nicht bei Farbe und Leinwand endete. Besonders das Medium Film hatte es ihm angetan: Er führte seine Schüler an die Arbeit mit der Super-8-Kamera heran, ließ experimentieren, improvisieren und reflektieren. Unter seiner Leitung entstanden Trickfilme, visuelle Studien und narrative Kurzfilme, die in Schülerfilmfestivals und Schulvorführungen gezeigt wurden – unter anderem der Film Ausbruch, der auch auf überregionalen Festivals präsentiert wurde.

Staackens pädagogischer Stil war partnerschaftlich, aber anspruchsvoll. Er vermittelte nicht nur Technik, sondern schärfte den Blick für Bildsprache, Dramaturgie und gesellschaftliche Themen. Seine eigene Begeisterung für das Medium war ansteckend. Er zeigte im Unterricht filmische Meilensteine wie Die Brücke von Bernhard Wicki und regte zur kritischen Auseinandersetzung an – eine Seltenheit in der schulischen Landschaft jener Zeit.

Nach vielen Jahren im Schuldienst zog sich Dieter Staacken in seine Heimatregion Eiderstedt bei Husum zurück. Auch im hohen Alter (über 90) lebt er dort zufrieden und bleibt in der Erinnerung seiner ehemaligen Schüler als jemand präsent, der Türen geöffnet und Perspektiven verändert hat. Für Rolf Hauschild, der ihn Jahrzehnte später kontaktierte, bleibt er „der Lehrer, der mir den Raum gegeben hat, mich zu entfalten“.