Ties Rabe hält seine letzte Rede und fährt Modelleisenbahn, statt Dienstwagen

Im letzten Jahr lud Ties Rabe, Hamburger Schulsenator a.D., die Gewinner des Geschichtswettbewerbes des Bundespräsidenten zu einer persönlichen Führung durch das Rathaus ein. Neun Tage nach seinem Rücktritt löste er sein Versprechen ein. Das hat uns sehr gefreut!

Ties Rabe zeigt etwa zehn Schülern und einer Handvoll Lehrern den Ort, den er so gut kennt: Die Hamburger Bürgerschaft. Dort stellt er sich hinter das Rednerpult und fährt es erst einmal herunter: hier, so – er geht in die Knie – würden die kleineren Abgeordneten sprechen. Dann fährt er es wieder aus dem Boden empor: Hier, so würden dann die größeren, also etwa Anjes Tjarks, sprechen, obwohl das noch nicht ausreichen würde, also von der Höhe des Pultes her. Ties Rabe selbst, das Rednerpult etwa auf einer mittleren Position, zeigt uns dann, was die Abgeordnete alles so tun würden. Er fuchtelt mit den Richtmikrophonen herum und holt ein Trittbrettchen hervor – für die Füße, damit sie bei den langen Sitzungen nicht einschlafen würden. Überhaupt seien diese Brettchen sehr begehrt; es gäbe nicht sehr viele. Auch bei mir steht so ein Ding, das ist schon mal gut, hier würde auch die SPD sitzen, aha. Auch bei den Grünen hört man Füße aufsetzen, bei den anderen Parteien nicht, hat sich ja auch keiner hingesetzt.

Also nun spricht Ties Rabe weiter über die Aufgaben eines Abgeordneten und die Hierarchie unter ihnen. Da denke ich mir, wir sind bestimmt das angenehmste Publikum seit langem. Ist natürlich auch total abgefahren, auf diesen viel zu breiten belederten Klappsitzen zu sitzen und Ties Rabe aus dem Nähkästchen plaudern zu hören. Er habe bei seiner allerersten Rede nicht zum Ende kommen können, weil er dauernd von Applaus unterbrochen worden sei – was schade gewesen sein musste, denn die eingeübte Rede hatte einen Witz am Ende. Er habe daraus gelernt, auch den Applaus mit in die Redezeit einzurechnen.

Auf die Redezeit braucht er mit uns allerdings nicht zu achten, und so erzählt er noch, wie die „Neuen“ in der Bürgerschaft weiter hinten sitzen müssten, damit sie sehen könnten, wie sich ihre Partei zu diesen oder jenen Themen verhält. Also Schulreform: Arm hoch oder doch runter? Weiß man mal nicht weiter, sei das aber auch gar nicht schlimm, denn es komme vor, dass man Abstimmungen wiederholen ließe, weil sie niemand mitbekommen hätte – so schnell ginge das im Rathaus mit den Abstimmungen. Das heißt aber nicht, dass die Abgeordneten nicht kommen würden, denn das sei ausgeschlossen aufgrund der empfindlichen Geldstrafe von 150€. Das schreckt natürlich erstmal ab.

Es muss weitergehen, eine andere Gruppe ist danach dran, also führt uns Ties Rabe durch das Rathaus in die verschiedenen wichtigen Räumlichkeiten hinein, und erzählt uns ihre Geschichte. Hin und wieder muss ich lachen; bestimmt schimpfte er auf die Bremer oder so. Vor dem Senat bleiben wir dann nocheinmal stehen, denn hier saß er direkt neben dem Bürgermeister auf einem viel schöneren Stuhl, als es die in der Bürgerschaft sind, und zudem noch unter einem Baldachin. Er erklärt, dass man sich im Hamburger Senat nicht streite; das tue man in einem Raum schräg gegenüber. Sehr löblich, denke ich.

Ein paar Kollegen kommen aus irgendeiner Tür und begrüßen ihn: „Wolltest du dich nicht ausschlafen?Stimmt, Ties Rabe ist doch eigentlich im Ruhestand. Das bemerkt man aber gar nicht; er ist eben ein richtiger Politiker.

Zum Schluss noch schnell gefragt, was er denn jetzt so machen würde? Er habe viele Hobbys und eine Modelleisenbahn.

Jonas Heinrich Nölle